Folgender Text ist quasi die Fortsetzung zu Sparflammen-Selbstverwirklichung. Dort ging es um die Qual der (Studienplatz-)Wahl - und um eine getroffene Entscheidung. Und zwar die, all die sicheren Pläne über den Haufen zu werfen. Leute, nun wird's konkret - und spannend:
Es ist Samstagabend und sie verbringt den Abend zwischen Immobilienscout24 und WG gesucht, vagen Vorstellungen und konfliktreichen Kompromissen, großen Plänen und größer werdender Zeitnot - oder kurz: auf Wohnungssuche. Wer im Netz nach Wohnungen fischt, muss nicht gut aussehen: Sie trägt ein ausgewaschenes T-Shirt und eine abgeliebte, rosa Schlafanzuhose, die sie durch ihre Jugend begleitet hat. Auf ihrem Gesicht wirkt eine Entspannungsmaske mit Kiwi-Litschiduft ein. Ob sie wirkt, kann sie nicht sagen - sie könnte es aber gebrauchen. Denn es sind nicht nur lichtdurchflutete, bezahlbare, renovierte Quadratmeter Wohnfläche, die sie sucht - sondern auch Orientierung, Halt - aber nicht an bunten Strohhalmen, die aus Cocktailgläsern emporragen. Klar sind nur die Fakten, die der Kopf schwarz auf weiß registriert hat, das Herz aber erst sortieren, kategorisieren, interpretieren muss: Sie wird Klassenzimmer gegen Hörsaal tauschen. Klassenkameraden gegen Kommilitonen. Schulwissen gegen Journalistik. Schleswig-Holstein gegen Nordrhein-Westfalen. Heimat gegen ... Zuhause.
Spätestens in zwei Monaten, wenn sie mit erstsemestertypischer Unsicherheit und ihrer Umhängetasche im Schoolbag-Look (die sie schon erkauft hatte, bevor sie überhaupt wusste, dass zwischen Heimat und Universität vier Autostunden liegen würden) über den Campus Nord der TU Dortmund läuft, wird sie begreifen: Ab jetzt, ab hier, ab genau diesem Atemzug wird die geplante Zukunft zur gelebten Gegenwart. Ein seltsames Gefühl - vielleicht sogar ein ganz für sich selbst interpretiertes I'm-A-Legal-Alien-Gefühl, das Sting 1988 besang. Vielleicht schließen sich Ankommen und Auf der Stecke bleiben - irgendwo auf der A1 zwischen Bremen und Osnabrück - nicht aus. Vielleicht. Vielleicht. Sie will keine wirren Spekulationen, vorschnellen, persönlichen Bedeutungen hinter der Tatsache, dass der erste Eintrag, der sich beim Eintippen ihrer zukünftigen Heimatstadt ins Google-Suchfeld ergibt, der eines Fußballvereins ist, keine wilden Mutmaßungen - nur Mut. Und die Gewissheit, dass dort, wo ein Wille ist, sich auch ein Weg findet - egal, ob er über eine menschenüberfüllte Tanzfläche oder einen Universitätscampus führt. ♥
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen